Oktober 2022: Studentisches Kultbuch erklärt Idee des Netzwerks gegen „Philisterey“

By | 26. September 2010

August Jägers „Felix Schnabels Universitätsjahre oder: Der deutsche Student“ liegt eine einzigartige kulturhistorische Idee zugrunde. Hier wird erstmals die Topographie eines manifesten studentischen Netzwerkes von Verbindungen aufgezeigt, das sich in ständigem Konflikt mit den Landesfürsten befand, die die Kontrolle über ihre Universitäten ausübten und zumeist im Metternichschen Geist der Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten agierten – eine Widerstandsbewegung eigener Art gegen Behördenwillkür und Fürstenwillen, damals als Philisterey bezeichnet.

Konkret geht es in diesem Buch um die nachmaligen Kösener Corps in den Jahren um 1830, die hier mit lexikalischer Präzision, aber in einer Art literarischer Bedeutungsperspektive beschrieben werden. Für alle Korporierten ist dieses Buch eine höchst ertragreiche Lektüre, denn der Autor sortiert die Hochschulstädte nach ihrem Einfluß auf das frühe Corpsstudententum, und die Corps sind die ältesten Korporationsform, nolens volens werden sie als Vorbilder gesehen, und sei es auch nur in formaler Hinsicht. Und wie spannend: der heutige Kösener Senioren-Convents-Verband ist bereits ganz genau erkennbar, bis hin zur exzentrischen Attitude der Protagonisten! Zur Handlung:

Felix Schnabel ist ein hochintelligenter Goldjunge – so denken seine Eltern. Alle seine Schwierigkeiten können nicht an ihm liegen – so denken seine Eltern. Und natürlich haben sie für alles gesorgt – so denken diese Eltern. August Jägers Roman beweist auf spielerisch-leichte Weise, wie schädlich Helikoptereltern auch im frühen 19. Jahrhundert sein konnten. Damals wurden die Alten Herren der Verbindungen im übrigen noch nicht „Philister“ genannt, das kam später.

Wie dem auch sei – am Ende versumpft Felix, der ach so perfekte Goldjunge, vollkommen im studentischen Leben, und geht schließlich als Söldner nach Griechenland. Das Ende aller Hoffnungen. Für den Leser, der alle die puerilen Scherze und studentischen Verirrungen ja schon kennt, ist dies alles längst keine Überraschung mehr. Der Lesespaß ist enorm, denn der Autor führt leichtfüßig, kompetent und mit knochentrockenem Humor in die Sprache und Welt des Verbindungslebens ein. Weil sie die ältesten Verbindungen sind, ist es logisch, daß er das am Beispiel der alten Corps tut, die sich wenige Jahre darauf, 1848, in Jena zum KSCV zusammenschließen sollten. Der Jensche Franke Kahmann hat dieses bedeutende Stück Studentenliteratur nun neu herausgebracht.