Eine Doktorarbeit über das Korporationswesen – Großes ist zu erwarten! Elite sein – wie und für welche Gesellschaft sozialisiert eine studentische Korporation? Die Lektüre überrascht tatsächlich, wenn auch vielleicht anders als vom Autor intendiert.
Im Vorwort seiner als Promotionsschrift im ruhmreichen Marburg angenommenen Werkes gibt Stephan Peters freimütig zu, daß er in höchstem Maße befangen ist gegenüber seinem Thema. Das ist nicht der erste Fall einer Generalkritik am korporationswesen, das aus Marburg kommt. Nun gut, worum geht es? Peters war korporiert, verließ seine beiden Verbindungen im Streit und schreibt nun just über Korporationen. Die Grundlage für eine objektive Bearbeitung des Themas ist nicht gegeben, doch er scheint für seine Erkenntnisse promoviert worden zu sein. Eine solche Promotion lohnt natürlich einen Blick zwischen die Buchdeckel, auch wenn die Machart des Werkes wenig zum Aufblättern einlädt. Eine Broschüre, in der sich von Din A 4 herunterverkleinerte Seiten befinden, die zudem nach Art einer Schülerzeitungen mit Hervorhebungen in Form von Strichquadraten garniert sind, und alles bei erheblich zu niedrigem Durchschuß zwischen den Zeilen – diese 326 Seiten sind eine harte Probe für Liebhaber bibliophiler Werke. Aber als todesmutiger Rezensent ist man nicht durch Äußerlichkeiten zu entmutigen.
Im Vorwort gibt Stephan Peters freimütig zu, daß er in höchstem Maße befangen ist gegenüber seinem Thema. Er war korporiert, verließ seine beiden Verbindungen im Streit und schreibt nun just über Korporationen. Die Grundlage für eine objektive Bearbeitung des Themas ist nicht gegeben, doch er scheint für seine Erkenntnisse promoviert worden zu sein. Eine solche Promotion lohnt natürlich einen Blick zwischen die Buchdeckel, auch wenn die Machart des Werkes wenig zum Aufblättern einlädt. Eine Broschüre, in der sich von Din A 4 herunterverkleinerte Seiten befinden, die zudem nach Art einer Schülerzeitungen mit Hervorhebungen in Form von Strichquadraten garniert sind, und alles bei erheblich zu niedrigem Durchschuß zwischen den Zeilen – diese 326 Seiten sind eine harte Probe für Liebhaber bibliophiler Werke. Aber als todesmutiger Rezensent ist man nicht durch Äußerlichkeiten zu entmutigen.
Den ersten Themenkomplex –
nach Fragestellung und Klärung von Themenfeld und Analyseverfahren –
bildet ein geschichtlicher Abriß, der 70 Seiten umfaßt. Der Autor
markiert hier kritisch, aber insgesamt zutreffend die wichtigen Eck- und
Wendepunkte in der Geschichte der Corps seit 1789. Sein Blick ist ganz
dorthin fixiert, die viele anderen Dachverbände – auch den CV, aus dem
er ging oder gegangen wurde – läßt er quasi außer Acht. Das läßt tief
blicken. Wäre hier jemand gerne – allzu gerne – Corpsstudent geworden?
Nach dem relativ sicheren
Terrain des schon Geschehenen widmet sich Peters den eigentlichen
Inhalten seiner Arbeit: der Frage, wozu und nach welchem Wirkmechanismen
eine Korporation junge Menschen sozialisiert. Die Leserschaft bemerkt
schon bald erste Anzeichen der Subjektivität, der persönlichen
Betroffenheit, der fehlenden Trennschärfe. Überforderung scheint das zu
sein, wohl zurückzuführen auf die Tatsache, daß der Autor in seinen
Stoff persönlich involviert war und sich davon mitnichten befreien kann.
Diese Konstellation ist wohlmöglich geeignet, um Belletristik zu
verfassen – als Ausgangsposition für eine Doktorarbeit ist sie ein
Desaster.
Die Ausführung der Arbeit ist
insgesamt betrachtet ebenfalls ein Desaster. Einige wenige knappe
Schlaglichter mögen genügen. Auf Seite 133 übertitelt Peters sein
Kapitel 3.2.3 mit „Die Grundstruktur corpsstudentischen Denkens und
Handelns“. Welch große Elle, die er hier anlegt! Der Autor dieser
wohlwollenden Rezension ist selbst Corpsstudent, teilt also unter allen
Vorbehalten mit, daß es ein „corpsstudentisches Denken und Handeln“ so
nicht gibt. In einem Corps aktiv zu werden, bedeutet nicht, daß sich das
Genom des Betreffenden verändert, auch wenn sich das mancher, der gerne
Corpsstudent wäre und kein CVer mehr ist, so vorstellen mag. Das
Vierstufenmodell, das Auswahl, Normenkatalog, Milieu und Habitus des
aktiven Corpsstudenten betrifft, ist im übrigen prinzipiell richtig und
weiterführend. Seine Interpretation ist dagegen grotesk überzogen. Nein,
werter Herr Peters, Corpsstudent zu sein, bedeutet keine Veränderung
des genetischen Codes, den Mann in sich trägt – über diesen kleinen
Wortwitz freuen Sie sich bestimmt. Oder?
Auf Seite 162 gibt der Autor
zu verstehen, daß er der Meinung ist, die Corpsverbände gehörten dem CDA
an. Das ist nicht der Fall. Das Buch ist 2004 erschienen. Dem Autor,
der wissenschaftlichen Anspruch erhebt, hätte bekannt sein können, daß
die Corps 1998 aus dem CDA ausgetreten sind. Auf den Seiten 166 und 167
hat der Autor erkennbar Mühe, die Begriffe „Lebenscorps“ und
„Lebensbund“ in eine korrekte Relation zueinander zu setzen, wobei hier
als „korrekt“ definiert sei, was auch tatsächlich bis dato gelebt wird.
Auf einer Art
Schlagwortbasis, einem „a propos“, basiert auf Seite 168 die
Hinzuziehung eines Pädagogen, der der NS-Wissenschaft zuzurechnen ist –
Alfred Bäumler. Warum er hier zitiert wird? Weil er sich ebenfalls über
Männerbünde ausläßt? Weil zu einer guten Marburger Promotion gehört, daß
auf Biegen und Brechen insinuiert werden muß, die Corps hingen in
irgendeiner Form mit der NS-Ideologie zusammen? Was zitiert wird, hat
mit dem Corpsstudententum nichts zu tun. Die Frage bleibt: warum wird
Bäumler zitiert?
Auf Seite 177 stellt sich der
Autor selbst die Aufgabe, in den Corps eine Ideologie der
Geschlechterdifferenz zu erkennen, denn er sieht in der Grundform der
Korporation eine „historisch-materielle Ausformung und
Institutionalisierung der Benachteiligung von Frauen“. Nach dieser Logik
wäre ein Schäferhundezuchtverein die historisch-materielle Ausformung
und Institutionalisierung der Benachteiligung von Katzenfreunden.
Auf den Seiten 224 und 225
stellt Peters, dies als letztes Beispiel für die Art dieses Textes, eine
Parallele zwischen den Sexualtheorien des Sigmund Freud und dem
„Ritual“ der Mensur her. Das ist amüsant und enthält auch einen Funken
Wahrheit. Wie allerdings ein „Vergemeinschaftungs-prozeß“ abläuft und
was damit gemeint ist, das könnte sich der Autor für eine zweite
Auflage, der dieses Werk mit Sicherheit in Bälde entgegensieht, durchaus
nochmals in der einschlägigen Fachliteratur ansehen. Seinem Doktorvater
scheint hier – und an vielen anderen Stellen – ebenfalls nichts
aufgefallen zu sein.
Zum Fazit. Herr Peters hat
eine Fleißarbeit abgelegt, summa cum Bierjunge! Doch läßt sich die
Nachricht, die er übermittelt, am Ende nicht doch auf einen sehr kurzen
Nenner bringen? Ähnlich dem berühmten „Bierdeckel“ des CDU-Politikers
Friedrich Merz? Es scheint dem Autor gelungen, sowohl Fragestellung als
auch Antwort seiner wissenschaftlichen Ausarbeitung gleichermaßen auf
dem Titelblatt seines Buches unterzubringen: „Wie und für welche
Gesellschaft sozialisiert eine Korporation?“ „Elite sein.“
Als CVer wollte Peters einst
reüssieren, aber das gelang ihm nicht. Seine Mitarbeit im Marburger AStA
und bei den Jungsozialisten, die mehrmalige kurzzeitige Mitgliedschaft
in die SPD – all dies ist kein Grund, warum er seinen Verbindungen nicht
mehr angehören sollte. Peters fixierte sich mutmaßlich auch sehr auf
die Kösener Corps und wurde von diesen nicht einmal wahrgenommen. Er hat
versucht, sich in einer von ihm erkannten Elite einen Platz zu sichern.
Ob der Schmerz, dies gleich in zweifacher Hinsicht nicht geschafft zu
haben, durch das Abfassen seines Buches gestillt wurde? Zweifel scheinen
angebracht. Dr. Stephan Peters tourt immer noch durch die Lande und
hält wieder und wieder Vorträge gegen „die Korporationen“. Und das,
obwohl doch für einen wie ihn größere Aufgaben zu finden sein sollten.
Zu guter Letzt noch ein Satz
zum Tectum-Verlag. Wer derartige Bücher verlegt, wird nicht länger als
wissenschaftlich wahrgenommen.
Stephan Peters, „Elite sein – wie und für welche Gesellschaft sozialisiert eine studentische Korporation?“, Tectum-Verlag, Marburg 2004, broschiert, 362 Seiten, ISBN 978-3-8288-8635-3; 29,90 Euro.