Es verdient dokumentiert zu werden, daß eine große deutsche Universität eine Vorlesungsreihe über das Wesen und die Geschichte der Korporationen durchgeführt hat. In Dresden war dies im Wintersemester 2010/2011 möglich, und das hier vorliegende Buch, „Füxe, Kneipen und Couleur“ hält das insgesamt beeindruckende Ergebnis fest. Die Einführung stammt, und das ist fast das bemerkenswerteste vom Ordninarius, Prof. Werner J. Patzelt.
Knapp
und gut der Überblick, den Horst Ulrich Textor Franconiae Fribergensis
über die Formen der korporierten Gesellung im Rahmen der akademischen
Ausbildung gibt – schon im antiken Griechenland sind vergleichbare
Strukturen erkennbar. Textor klärt Gemeinsamkeiten und trennendes und
ordnet so das Phänomen „Korporation“ in den abendländischen Kontext ein.
Nahtlos schließt der äußerst kundige und renommierte
Studentenhistoriker Dr. Harald Lönnecker mit einem knappen, aber
Vollständigkeit erzielenden Aufsatz über die Geschichte der heute
bekannten Korporationen an, was angesichts der Komplexität des Themas
ein Bravourstück ist.
Einen neuen Ansatz stellt der Gedanke dar, den Anette v. Schlabrendorff in die wissenschaftliche Diskussion einbringt: ihre heutige Gestalt verdanken die Korporationen demnach auch der geistigen Auseinandersetzung mit den Salons und der ihnen eigenen Kultur im späten 18. Jahrhundert – das jedenfalls legen ihre Gedanken am Beispiel Berlin offen. Professor Peter Kaupp ergänzt diesen Themenkomplex mit einem Überblick über studentisches Brauchtum. Für Kundige ist die Materie wohlbekannt, aber für Zuhörer einer Vorlesung und auch für Spefüchse sicher von großem lexikalischem Wert – daher hat dieses Thema völlig zu Recht Aufnahme in den Band gefunden.
Dem
dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte sind Professor Patzelt und
seine Mitstreiter von der Gesellschaft zur Förderung Studentischer
Kultur e.V. nicht ausgewichen. Es gab nicht nur Tausende von Mitläufern,
sondern auch eine nennenswerte Zahl von Widerstandskämpfern unter den
Angehörigen der Verbindung unterschiedlicher Prägung. Korporation als
Spiegelbild der Gesellschaft, im Schlechten wie eben auch im Guten: Dr.
Sebastian Sigler gelingt es, dieses schwierige Themenfeld kompetent zu
besetzen, und mancher Name, den er nennt, ist anderweitig bestens
bekannt – bislang aber eben nicht als Korporierter. Im übrigen sind die
Bedingungen der Nachkriegszeit unmittelbare Folge des Geschehens in der
NS-Zeit, und hier wurden seitens der Korporationen bedeutende Chancen
ungenutzt gelassen, ja, Fehler gemacht, wie Dr. Helge Kleifeld ausführt.
Kleifeld, als Studentenhistoriker sehr renommiert und in diesem Band
mit zwei Beiträgen vertreten, stellt den Korporationen insgesamt ein
bedenklich schlechtes Zeugnis aus. Allein schon diese Aufsätze machen
den Band zur Pflichtlektüre für alle, die Couleur tragen. Professor
Hermann Rink steuert eine angesichts dessen sehr wichtige Anregung bei:
Korporationen versteht er als ein Netzwerk unter Netzwerken, und er gibt
Beispiele für deren sinnvolle Nutzung.
Dem
Herausgeber Ralf Prescher können eine große Energieleistung ebenso wie
ein gelungenes Lektorat bescheinigt werden, dem Akadpress-Verlag die
einwandfreie und hochwertige Umsetzung, die dies Buches verdient hat.
Abgerundet wird das Themenfeld des handwerklich ansprechenden, fest
eingebundenen, 315 Seiten starken Bandes übrigens durch Blicke über
Mitteleuropa hinaus – ins Baltikum, nach Osteuropa und in die USA. Das
Mensurfechten wird gesondert bedacht. In der Gesamtschau kann dem
gesamten Band durchgängig eine hohe Qualität bescheinigt werden, wobei
allerdings die wichtigeren und treffenderen Beiträge eher am Anfang zu
finden sind. Eine besondere Erwähnung verdient indes der aus dieser
Reihung herausragende Aufsatz über die illegalen, weil vom
SED-Unrechtsregime verbotenen Verbindungen in der ehemaligen DDR. Höchst
staunens- und lesenswert, was sich lange vor 1989 an DDR-Universitäten
und rund um die Rudelsburg zutrug!
So lautet das Fazit: Ein respektabler Band dokumentiert eine bemerkenswerte Vorlesungsreihe. Interessierten – übrigens auch in der Materie Kundigen – kann „Füxe, Kneipen und Couleur“ nur wärmstens empfohlen werden.