Ernst Nolte legt eine große Studie zum Islamismus vor
Widerstand – diese Form gesellschaftlicher, religiöser oder auch politischer Betätigung läßt sich in den vergangenen beiden Jahrhunderten immer wieder finden, und der Brücklmeierverein kümmert sich insbesondere um dieses Themenfeld. Nicht zuletzt, weil insbesondere die nachwachsenden Eliten überdurchschnittlich stark zum Widerstand herausgefordert werden, wenn sie Ungerechtigkeit und Unterdrückung wahrnehmen. So kann auch das neue Werk von Ernst Nolte, „Islamismus – die dritte große Widerstandsbewegung“ hier besonderes Interesse beanspruchen.
Nolte
hat in seinem bisherigen Lebenswerk viele Beiträge dazu geleistet,
Nationalsozialismus und Kommunismus besser verstehbar zu machen. Hinter
diesem zugegebenermaßen großen Anspruch bleibt er in seinem neuen Werk
über den Islamismus als Widerstandsbewegung nicht zurück. Daß Nolte
jetzt den weltweiten Aufstieg des politischen Islam in den letzten
Jahren zum Thema gewählt hat, läßt aufhorchen. Fast ist es allein schon
die Möglichkeit einer Gleichsetzung dreier Ideologien – unbeschadet des
Ergebnisses –, die dieses Buch rechtfertigt.
Die Ideologien des
„internationalen“ und des „nationalen“ Sozialismus – also der
Kommunismus und des Nationalsozialismus – etabliert sich nun eine dritte
Ideologie mit mörderischem Potential: Der Islamismus. Es ist eine
religiös-fanatische Gemeinschaftsideologie, die – so Nolte – der
modernen, sich allzu aufgeklärten gerierenden Welt der westlichen Werte
den Kampf angesagt hat. Nolte hat Quellen und Literatur zum Islamismus
offenkundig gründlich studiert und bietet eine weitgehend korrekte
Darstellung von Strömungen und Ereignissen eines globalpolitischen
Konflikts. Wahhabiten, Muslimbrüder, schiitische Revolutionäre des Iran,
afghanische Mudschaheddin, Al-Kaida und Taliban bevölkern dieses
aufrüttelnde Buch. Und für deutsche Leser ist die Schilderung der
Allianz zwischen dem seinerzeitigen Großmufti von Jerusalem, Hadsch Amin
al-Husseini, und Adolf Hitler sehr beklemmend. Nolte legt den Finger in
diese offene Wunde.
Doch es gibt auch den
„anderen“ Nolte. Weist die „Volk-ohne-Raum“-Ideologie der
Nationalsozialisten Kongruenzen mit dem Zionismus auf? Fast scheint es,
als ob Nolte das so sähe. Doch er entwickelt diese These nicht, er
deutet nur an, denn Parallelen im Handeln müssen nicht auf denselben
Ideen und Zielen beruhen – eigentlich ist das eine Binsenweisheit – und
hier tun sie es nicht. Und so gerät Nolte in der Frage des
Nahostkonflikts auf Abwege. Einen „im Kern gerechtfertigten
Antisemistismus“ von wem auch immer – und seien es vertriebene
Palästinenser – gibt es nicht, auch diesbezüglich muß Nolte’s Werk
kritisiert werden.
Dabei es ist sehr schade,
daß Nolte sich so sehr auf das Thema Israel eingelassen hat. Angesichts
der starken Schilderung der Anfänge des Islamismus, insbesondere des
Abschnitts auf Seite 221 bis 238, hätte es dessen gar nicht bedurft. Der
Name Sayyib Qutb kann in diesem Zusammenhang gar nicht oft genug
genannt werden. Höchst wichtig auch der Hinweis, daß Nasser zur
gleichen Zeit, als Qutb in Ägypten wirkte, dort einen „arabischen
Sozialismus“ ausgerufen hatte. In der Tat: Daß der Islamismus
ideologisch aus derselben Wurzel stammt wie Kommunismus und
Nationalsozialismus – diese Erkenntnis kann nicht nur die Denker in
Deutschland, sondern den ganzen Westen voranbringen. Erst war es ein
supra-nationaler, dann ein rassistisch-nationaler, nun also ist es ein
arabischer Sozialismus, der gegen die Werte des Westens steht, die ihre
Wurzeln in einem säkular verstandenen christilichen Menschenbild haben.
Immer ist es ein Sozialismus – Nolte sieht hier klar. Daß es Karl Marx
war, der die Grundgedanken des Sozialismus formulierte und daß dessen
Gedanken ein weltweiter deutscher Exportschlager wurden, sollte in
diesem Zusammenhang nicht unter der Tisch fallen. Nolte illustiert
anschaulich, warum.
Und weiter noch: Nolte
streut Termini in seinen Text ein, die aufhorchen lassen. In der Tat, es
muß eine Diskussion darüber geben, ob es nicht stimmen könnte, daß der
Islam insgesamt an sich eine „politische, nicht eigentlich religiöse
Natur“ haben könnte, wie Nolte auf Seite 249 ausführt. Unser gesamtes
westliches Denken gegenüber dieser Weltreligion – oder besser: Bewegung?
– könnte sich ändern. Denn „der Islam ist also der perfekte
Totalistarismus“, wie Nolte sechs Seiten später feststellt. Natürlich
muß ein solcher Satz erschreckend wirken, aber er ist durch den Autor so
gut begründet, daß man doch gesapnnt sein darf, ob es hier schlagende
Gegenargumente geen wird.
Sehr erhellend sind die
Ausführungen zur nahöstlichen Geschichte der letzten 50 Jahre, bietet
sie doch in der Sichtachse auf den Islamismus hin eine neue Art der
Gemeinsamkeit. Zentral ist das Kapitel, in dem die zeitweise
Verbrüderung der USA mit den Islamisten gegen eine der vorherigen
Widerstandsideologien, den Moskau-Kommunismus, geschildert wird. Wichtig
auch die genügend prominente Erwähnung Osama bin Ladens. Zu kopflastig,
überdimensioniert und fragwürdig plaziert dagegen das letzte Kapitel
über Israel. Sein Abweg, er holt den Autor doch wieder ein.
Ein zwiespältiges Urteil
bleibt. Unverzichtbar ist dies Buch, das darf gesagt werden. Der ansatz
ist mehr als mutig – vielleicht wird er einst als „prophetisch“
apostrophiert werden. Aber ärgerlich ist dies Buch auch, denn so klar
der Blick auf den Islamismus ist, sosehr stört die dioptrische
Achsenverschiebung im Bezug auf Israel.
Sebastian Sigler
Ernst Nolte, „Der Islamismus – die dritte große Widerstandsbewegung“, 408 Seiten, Hardcover, Schutzumschlag, zwei Lesefäden; Landtverlag, Berlin 2009.