Adam v. Trott zu Solz zum 100. Geburtstag

Von | 13. März 2010

Adam v. Trott zu Solz hatte eine bedeutende Rolle im deutschen Widerstand gegen Hitler. Das ist bekannt, wie auch die Stationen im Leben dieses Widerstandskämpfers bis hin zu seiner Verhaftung, dem Prozeß, dem Todesurteil und dem fast märtyrerhaften Tod. Mitzuteilen, wer Adam v. Trott war – darum mußte es Benigna v. Krusenstjern nicht gehen.

Eine Biographie mit beeindruckender Faktenfülle setzt unaufdringlich Maßstäbe. Schlägt man das schöne, sorgfältig gearbeitete und bibliophilen Ansprüchen durchaus genügende Buch auf, wird man sofort hineingezogen in das Leben des Adam v. Trott zu Solz. Akribisch recherchiert und in angenehmem Ton erzählt Benigna v. Krusenstjern von der Familie Trott zu Solz, von amerikanischen Vorvätern. Dann vom Leben Adams, Stück für Stück sorgfältig.

Die Autorin läßt kein Detail aus, legt die Ereignisse nebeneinander, setzt sie in Bezug, erstellt das Bild eines erzählenswerten Lebensweges, verdichtet durch narrative Qualität, enthält sich unnötiger Wertung. Zunächst wundert sie den Leser über diese Studie, der zweifelsohne eine unerhört umfangreiche Recherche zugrundeliegt, denn natürlich erwartet man Fakten zum 20. Juli 1944. Doch Stück für Stück, Seite um Seite, wächst die Erkenntnis, daß hier ein weiterreichendes Bild entsteht, weil Zwischentöne fein herausgefiltert und differenziert wiedergegeben sind.

Aus dem Nachwort, der Quintessenz des Buches scheint der Satz auf: „Ungeachtet der kurzen Zeitspanne von 35 Jahren war das Leben von Adam von Trott zu Solz überaus bewegt und abwechslungsreich.“ Ist das eine Banalität? Mag sein. Aber es ist genauso gut das Abbild der Dinge, so wie sie waren. Und das Leben von Trott war, das ist zugleich geklärt, weder langweilig noch statisch noch spießig und eng. Wichtiger als die Klärung dieser Frage sei die Feststellung genommen, daß Benigna v. Krusenstjern sich als Meisterin der unaufgeregten Sorgfalt präsentiert.

Der 20. Juli 1944, das Attentat auf Hitler: deswegen wird man gerade heutzutage auf Trott aufmerksam. Geht dieses Ereignis mit all seinen Schauplätzen auf den über 600 engbeschriebenen Seiten dieses ausgewachsenen Buches etwas verloren? Möglicherweise ja – aber das bedeutet keinen Abstrich. Hinzuweisen ist stattdessen auf eine höchst wichtige Qualität. Wie auf einem Gemälde von Albrecht Altdorfer entfaltet sich ein Panorama von Vollständigkeit, die Transparenz erzeugt. Man erfährt genug über die Hintergründe der Familie von Trott und über die Entstehungsgeschichte des Anschlags gegen Hitler, um wie von selbst eine valide Idee davon zu erhalten, daß der Widerstand gegen Hitler tatsächlich ein Ausdruck des Wollens einer großen, weil zutiefst in der deutschen Geschichte verwurzelten Gruppe von Familien war und damit – um eine etwas abgegriffenen Terminus zu bemühen – aus der Mitte des Volkes kam. Einer der wohl wichtigsten Verse des 20. Jahrhunderts, er stammt von Albrecht Haushofer, wird sinnfällig erklärt: „Es gibt wohl Zeiten, die der Irrsinn lenkt. / Dann sind’s die besten Köpfe, die man henkt.“

Benigna v. Krusenstjern kommt das große Verdienst zu, ein Panorama entfaltet zu haben, das anhand der Schilderung einer Lebensgeschichte die Gültigkeit dieses Satzes wie mit der logischen Kraft eines mathematischen Beweises klärt. Dieses Buch über Adam v. Trott zu Solz erklärt an einem Beispiel die Dimension des deutschen Widerstands gegen Hitler, sie zeigt dessen meist unterschätzte Größe. Benigna v. Krusenstjern bereichert ihre Leser um ein Stück Erkenntnis zur Geschichte des 20. Jahrhunderts in Deutschland, ja, in Europa. Die Lektüre ihres Werks kann wärmstens empfohlen werden.

Sebastian Sigler

Benigna v. Krusenstjern, “daß es Sinn hat zu sterben – gelebt zu haben”: Adam von Trott zu Solz 1909 – 1944, Biographie; Wallstein-Verlag, Göttingen 2009; 608 Seiten, gebunden, Goldprägung, Schutzumschlag, 34,90 Euro.

Als Quellensammlung und natürlich auch als korrespondierende Biographie sei empfohlen die Neuausgabe des Buches von Clarita v. Trott zu Solz, das bereits 1994 erschien: Clarita von Trott zu Solz, „Adam von Trott zu Solz. Eine Lebensbeschreibung. Mit einer Einführung von Peter Steinbach“, Lukas-Verlag, Berlin 2009, 368 Seiten, 19,80 Euro.