Ein weit vorausschauendes Alterswerk

Von | 14. September 2009

Ernst Nolte legt eine große Studie zum Islamismus vor

Widerstand – diese Form gesellschaftlicher, religiöser oder auch politischer Betätigung läßt sich in den vergangenen beiden Jahrhunderten immer wieder finden, und der Brücklmeierverein kümmert sich insbesondere um dieses Themenfeld. Nicht zuletzt, weil insbesondere die nachwachsenden Eliten überdurchschnittlich stark zum Widerstand herausgefordert werden, wenn sie Ungerechtigkeit und Unterdrückung wahrnehmen. So kann auch das neue Werk von Ernst Nolte, „Islamismus – die dritte große Widerstandsbewegung“ hier besonderes Interesse beanspruchen.

Nolte hat in seinem bisherigen Lebenswerk viele Beiträge dazu geleistet, Nationalsozialismus und Kommunismus besser verstehbar zu machen. Hinter diesem zugegebenermaßen großen Anspruch bleibt er in seinem neuen Werk über den Islamismus als Widerstandsbewegung nicht zurück. Daß Nolte jetzt den weltweiten Aufstieg des politischen Islam in den letzten Jahren zum Thema gewählt hat, läßt aufhorchen. Fast ist es allein schon die Möglichkeit einer Gleichsetzung dreier Ideologien – unbeschadet des Ergebnisses –, die dieses Buch rechtfertigt.

Die Ideologien des „internationalen“ und des „nationalen“ Sozialismus – also der Kommunismus und des Nationalsozialismus – etabliert sich nun eine dritte Ideologie mit mörderischem Potential: Der Islamismus. Es ist eine religiös-fanatische Gemeinschaftsideologie, die – so Nolte – der modernen, sich allzu aufgeklärten gerierenden Welt der westlichen Werte den Kampf angesagt hat. Nolte hat Quellen und Literatur zum Islamismus offenkundig gründlich studiert und bietet eine weitgehend korrekte Darstellung von Strömungen und Ereignissen eines globalpolitischen Konflikts. Wahhabiten, Muslimbrüder, schiitische Revolutionäre des Iran, afghanische Mudschaheddin, Al-Kaida und Taliban bevölkern dieses aufrüttelnde Buch. Und für deutsche Leser ist die Schilderung der Allianz zwischen dem seinerzeitigen Großmufti von Jerusalem, Hadsch Amin al-Husseini, und Adolf Hitler sehr beklemmend. Nolte legt den Finger in diese offene Wunde.

Doch es gibt auch den „anderen“ Nolte. Weist die „Volk-ohne-Raum“-Ideologie der Nationalsozialisten Kongruenzen mit dem Zionismus auf? Fast scheint es, als ob Nolte das so sähe. Doch er entwickelt diese These nicht, er deutet nur an, denn Parallelen im Handeln müssen nicht auf denselben Ideen und Zielen beruhen – eigentlich ist das eine Binsenweisheit – und hier tun sie es nicht. Und so gerät Nolte in der Frage des Nahostkonflikts auf Abwege. Einen „im Kern gerechtfertigten Antisemistismus“ von wem auch immer – und seien es vertriebene Palästinenser – gibt es nicht, auch diesbezüglich muß Nolte’s Werk kritisiert werden.

Dabei es ist sehr schade, daß Nolte sich so sehr auf das Thema Israel eingelassen hat. Angesichts der starken Schilderung der Anfänge des Islamismus, insbesondere des Abschnitts auf Seite 221 bis 238, hätte es dessen gar nicht bedurft. Der Name Sayyib Qutb kann in diesem Zusammenhang gar nicht oft genug genannt werden. Höchst wichtig auch der Hinweis, daß  Nasser zur gleichen Zeit, als Qutb in Ägypten wirkte, dort einen „arabischen Sozialismus“ ausgerufen hatte. In der Tat: Daß der Islamismus ideologisch aus derselben Wurzel stammt wie Kommunismus und Nationalsozialismus – diese Erkenntnis kann nicht nur die Denker in Deutschland, sondern den ganzen Westen voranbringen. Erst war es ein supra-nationaler, dann ein rassistisch-nationaler, nun also ist es ein arabischer Sozialismus, der gegen die Werte des Westens steht, die ihre Wurzeln in einem säkular verstandenen christilichen Menschenbild haben. Immer ist es ein Sozialismus – Nolte sieht hier klar. Daß es Karl Marx war, der die Grundgedanken des Sozialismus formulierte und daß dessen Gedanken ein weltweiter deutscher Exportschlager wurden, sollte in diesem Zusammenhang nicht unter der Tisch fallen. Nolte illustiert anschaulich, warum.  

Und weiter noch: Nolte streut Termini in seinen Text ein, die aufhorchen lassen. In der Tat, es muß eine Diskussion darüber geben, ob es nicht stimmen könnte, daß der Islam insgesamt an sich eine „politische, nicht eigentlich religiöse Natur“ haben könnte, wie Nolte auf Seite 249 ausführt. Unser gesamtes westliches Denken gegenüber dieser Weltreligion – oder besser: Bewegung? – könnte sich ändern. Denn „der Islam ist also der perfekte Totalistarismus“, wie Nolte sechs Seiten später feststellt. Natürlich muß ein solcher Satz erschreckend wirken, aber er ist durch den Autor so gut begründet, daß man doch gesapnnt sein darf, ob es hier schlagende Gegenargumente geen wird.

Sehr erhellend sind die Ausführungen zur nahöstlichen Geschichte der letzten 50 Jahre, bietet sie doch in der Sichtachse auf den Islamismus hin eine neue Art der Gemeinsamkeit. Zentral ist das Kapitel, in dem die zeitweise Verbrüderung der USA mit den Islamisten gegen eine der vorherigen Widerstandsideologien, den Moskau-Kommunismus, geschildert wird. Wichtig auch die genügend prominente Erwähnung Osama bin Ladens. Zu kopflastig, überdimensioniert und fragwürdig plaziert dagegen das letzte Kapitel über Israel. Sein Abweg, er holt den Autor doch wieder ein.

Ein zwiespältiges Urteil bleibt. Unverzichtbar ist dies Buch, das darf gesagt werden. Der ansatz ist mehr als mutig – vielleicht wird er einst als „prophetisch“ apostrophiert werden. Aber ärgerlich ist dies Buch auch, denn so klar der Blick auf den Islamismus ist, sosehr stört die dioptrische Achsenverschiebung im Bezug auf Israel.

Sebastian Sigler

Ernst Nolte, „Der Islamismus – die dritte große Widerstandsbewegung“, 408 Seiten, Hardcover, Schutzumschlag, zwei Lesefäden; Landtverlag, Berlin 2009.