„Von Habsburg zu Herzl“: Gregor Gatscher-Riedl legt mit seinem neuen Buch ein studentengeschichtliches Desiderat sondergleichen vor. Die wichtige und heilsame Erinnerung an die jüdischen Verbindungen ist dabei das eine, der höchst aktuelle Blick auf Israel das andere – wurde diese Nation doch von der Idee des Zonismus bis zur Staatsgründung maßgeblich durch Männer gestaltet, die sich bereits von Wien bis Czernowitz, von Heidelberg bis Würzburg mit dem Säbel gegen den akademischen wie gesellschatlichen Antisemitismus zur Wehr gesetzt hatten.
Natürlich ist bekannt, daß es jüdische Korporationen gab. Natürlich gibt es dazu immer Forschungen und knappe, hier und da sich wiederholende Erklärstücke, die auch aktuell immer wieder erscheinen – der Rezensent nimmt sich selbst dabei nicht aus. Anders dieser Band. Hier fallen Faktenfülle und Themendichte schon beim Studium des Inhaltsverzeichnisses auf. Verblüffend ist der thematische Rahmen. Sowohl der Ausgangspunkt, also das Habsburgerreich, als auch der Zeitrahmen – also exakt das Jahrhundert bis zur Staatsgründung Israels – sind gekonnt gesetzt. Denn der Student mit Band und Mütze, der in Mitteleuropa, vorwiegend im deutschsprachigen Raum, bis in die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts als die ideale Verkörperung des akademischen Lebens galt – er war ganz selbstverständlich auch jüdisch. In Wien, Prag und Brünn war das selbstverständlich, in Czernowitz sollte das jüdische Korporationswesen sogar eindeutig prägend werden, und auch im Deutschen Kaiserreich waren jüdische Verbindungen binnen weniger Jahre selbstverständlich.
Dieser reich bebilderte Band bietet enorm viele Fakten. Für Leser, denen die heutigen ebenso wie die vergangenen studentischen Farbenwelten fremd sind, werden knappe, aber absolut ausreichende Hinweise im Text gegeben.. Auf 323 Seiten finden jedoch die Kenner des jüdischen Korporationswesens immer neue Hinweise – hier wird ein kohärentes Bild eines Verbindungswesens gezeichnet, das über nationale Grenzen hinweg bestens vernetzt war. Auch kommt in verschiedenen Kapiteln zur Sprache, daß bei aller Gemeinsamkeit durch den Glauben die jüdischen Korporation untereinander sehr distanziert waren und sich teils sogar feindlich gegenüberstanden – speziell die zionistische und die nationale Richtung standen in ständigem Konflikt.
Gregor Gatscher-Riedl hat sehr gründlich gearbeitet. Er begrenzt sich nicht auf die großen Universitätsstädte mit vielen jüdischen Verbindungen, sondern blickt auch in Provinz, wo in Ferialverbindungen ebenfalls das jüdische Korporationsleben blühte. Die jüdischen Verbindungen machten sich in rund 50 Jahren schließlich den von Theodor Herzl vorgedachten Weg zur staatlichen Selbständigkeit mit praktischer Tatkraft zu eigen, und sie wurden die wahrscheinlich wirkmächtigste Gruppe des europäischen Zionismus, der ein Wiedererstehen des jüdischen Staates nach rund 1.800 Jahren ermöglichte. Dies ist eine äußerst wichtige Komponente der europäischen Geschichte des langen 19. Jahrhunderts. Dieses Buch ist höchst wichtig – eine ausführliche Rezension finden Sie auf det Websetie des AKSt.