Eine Studentenverbindung im engeren Sinne war sie nicht, die Weiße Rose. Aber diese an der Münchner Universität angesiedelten, akademische, der bündischen Jugend zugehörige Gruppe unterschied wenig von einer akademischen Korporation. Und nun gilt es, den 100. Geburtstag eines Mitgliedes der Weißen Rose zu begehen: den von Sophie Scholl.
Ein 100. Geburtstag ist immer ein Meilenstein der Erinnerung. Und das ist auch bei Sophie Scholl so. Am 9. Mai hätte sich für sie das Lebensjahrhundert gerundet. Eine große, aktuelle Biographie liegt pünktlich vor. Dem Autor Robert Zoske kann dabei ein besonderes Verdienst zugesprochen werden: Es ist ihm gelungen, ein Lebensbild zu entwerfen, das frei von Pathos, Kitsch und nachträglichem, unnötigem Zierrat ist.
Sophie Scholl wurde, wie Zoske sein zentrales Kapitel überschreibt, in neun Jahren im Nationalsozialismus nach und nach, Schritt für Schritt zur „Rebellin“. Als Grundlage für die hier erkennbare Hinwendung zum Widerstand macht er dabei explizit ihre Fähigkeit zur Mitmenschlichkeit aus. Er erklärt diesen scheinbaren Gegensatz gut und legt so die Grundlage für ein tieferes Verständnis der Persönlichkeit der Widerstandskämpferin – ohne Pathos und Legenden. Fein erspürt er in einem Brief Sophies an ihren Verlobten Fritz Hartnagel vom 28. Oktober 1942, dass die innere Veränderung nun zur geistigen Transformation geführt hatte, die die noch folgenden knapp vier Monate in ihrem Leben prägen sollten. Dieser Brief gipfelt in dem Satz: „Ja wir glauben auch an einen Sieg der Stärkeren, aber der Stärkeren im Geiste.“ (S. 248) Zoske bescheinigt ihr „moralische Rigorosität“, dazu kommen aus seiner Sicht „der außerordentlich hohe moralisch Anspruch und die Bereitschaft zu leiden“. Er meint explizit, „dass der christliche Glaube für sie existenziell war und auch essenziell für den Widerstand“.
Dieser Text erschien zuerst hier auf der Seite von Tabula Rasa, der Netzzeitung für Gesellschaft und Kultur.