Thema des Monats: Arbeitskreis der Studentenhistoriker setzt hohe Maßstäbe bei Wissenschaft und Dialogbereitschaft
Die 10. Europäischen Studentenhistorikertagung in Heidelberg war zugleich dem Jubiläum „100 Jahre Arbeitskreis Studentenhistoriker“ gewidmet. Die Häuser von T! Ghibellinia, L! Zaringia, C! Suevia und C! Thuringia waren die Schauplätze und dazu, sehr prominent, die Heiliggeistkirche – dort fand ein echter, fast zweistündiger Festakt statt, mit großer Festrede und der internationalen Hymne der Studenten, dem Gaudeamus igitur. Zum Rahmenprogramm gehörten Karzer, Universitätsmuseum, Alte Aula sowie das studentische Traditionsgasthaus „Zum Roten Ochsen“.
Mit einem Festakt wurde das 100-jährige Bestehen des Arbeitskreises wurde am Freitag um 15 Uhr am prominentesten Ort der Stadt gefeiert, ausgenommen vielleicht das Schloss – in der Heiliggeistkirche. Der Oberbürgermeister – selbst Heidelberger Schwabe – hatte ein Grußwort geschickt. Der Österreichische Verein für Studentengeschichte gratulierte ebenso die Schweizerische Vereinigung für Studentengeschichte, die Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung, der Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung sowie der Convent Deutscher Akademikerverbände. Die große Festrede hielt Prof. Dr. Klaus-Peter Schroeder von der juristischen Fakultät der Ruperto Carola zum Thema „Heidelberger Studentenleben am Vorabend des Ersten Weltkrieges“.
Inhaltlich war das Programm ausgesprochen vielfältig. Prof. Martin Dossmann referierte über die Kämpfe der Korporationen untereinander und den „akademischen Kulturkampf“ im akademischen Deutschland am Beispiel Bonns in der Zeit von 1819 bis 1911. Christian Brändli brachte den Zuhörern, die er mit immer wieder eingestreuten, lauten Mensurkommandos wirksam wachhielt, das Paukwesen der Schweizer Verbindungen nahe. Das Heimspiel dieses Tages hatte Dr. Dr. Klaus Jünemann-Neven, der den genius loci beschwor, als er von der Vorbereitung der Gründung des Zentralrats der Juden in Deutschland in der „Heidelberg Conference“ 1949 just auf dem Schwabenhaus berichtete. Das Schwabenhaus diente damals als Synagoge für jüdische GIs, aber auch für überlebende Menschen jüdischen Glaubens in Heidelberg – es wird in der Literatur ab jetzt als Gründungsort des Zentralrates der Juden in Deutschland zu gelten haben. Dr. Gerhard Hartmann referierte über die katholischen Verbandsgründungen in Österreich nach 1933 in Folge der Maßnahmen der Nationalsozialisten gegen die Korporationsverbände und deren schließlich erfolgte Selbst-Gleichschaltung. Prof. Dr. Reinhold Reimann, einer der bekanntesten lebenden Sängerschafter, sprach über das Café Mullé in Graz, brachte seinen singenden Inhaber und weitere Geschichten um dieses Studentencafé zu Gehör – Tondokumente eingeschlossen. Den Vortragsreigen schloss Dr. Christoph Frey, der seine Forschungsergebnisse über den als Karikaturisten und als Urburschenschafter bekannten Martin Disteli aus Olten mit einem eleganten Vortrag vorstellte. Mehr Berichte und Hintergründe zur Tagung lesen Sie auf der Webseite des AKSt.
Die Festveranstaltung am Samstagabend fand auf dem Hause der B! Frankonia statt. Nach der Vorstellung studentischen Liedguts über Heidelberg durch Dr. Pfeiffer, das der Liederkranz Heidelberg vortrug – wobei die sangeskundigen Teilnehmer natürlich einstimmten – ehrte Dr. Berger seinen Bundesbruder und, im Jahre 1924, Mitinitiator des Arbeitskreises, Fritz Ullmer. Da dieser seinerzeit auf jeder Tagung durch gereimte „Bierzeitungen“ seine Mitstreiter erfreute, überraschten nun zwei Franken als „Hanfried“, also in der Rolle des Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen-Weimar, des Universitätsgründers von Jena, und in der Rolle eines Jenenser Germanen die Teilnehmer mit einem szenischen Reimvortrag von höchster Qualität, bei dem es buchstäblich über Tische und Bänke ging. Später wurde auch noch der „Fürst von Thoren“ gegeben – auch dies ein Stück Studentengeschichte!
Über den Brücklmeierverein
Der Brücklmeierverein hat sich zum Ziel gesetzt, ein ganz wesentliches Element der studentischen Gesellung in Korporationen, die Distinktion nämlich, im Hinblick auf die Abwehr totalitärer Tendenzen in Staat und Gesellschaft zu untersuchen. Direkt führt dieser Ansatz vom Widerstand gegen staatliche Willkür über die Offenlegung totalitärer Tendenzen und Strukturen in der Gesellschaft zur Erklärung des Wesenskerns studentischer Gesellung. Die Verbindung unter Gleichen unter demokratischen Gesetzmäßigkeiten in Freiheit und Brüderlichkeit wird dadurch exemplarisch faßbar. Im Mittelpunkt des Interesses stehen Untersuchung und Dokumentation der Abwehr staatlicher Bevormundung ab dem späten 18. Jahrhundert sowie Protest und Kampf Korporierter gegen alle Formen sozialistischer und kommunistischer Diktatur von Hitler bis Honecker.
Unsere erfolgreiche Veröffentlichung, bereits in 2. Auflage
Sebastian Sigler (Hg.), Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler, Berlin 2914, bereits in der zweiten Auflage 2015, geb., 511 Seiten, SU, vier Lesefäden, 39,90 Euro, ISBN 978-3-428-14319-3
Der Widerstand im Dritten Reich, am 20. Juli 1944 schlagartig sichtbar, ist ab spätestens 1937 als dynamisches Netzwerk von Menschen faßbar. Darin gab es eine Vielzahl von Verknüpfungen: Verwandtschaft, Internate, kirchliches Engagement – oder auch ein Corps. Sieben Jahrzehnte nach dem Sturz Hitlers ist die Frage, wie der Widerstand gegen den Nationalsozialismus strukturiert war, aktueller denn je. Noch in der Nachkriegszeit, teils bis in die 1960er Jahre, wurden Widerstandskämpfer vielerorts als Verräter angesehen. Heute sind Rolle und Bedeutung derjenigen, die gegen Hitler aufstanden, unstrittig.
Peter Graf Yorck v. Wartenburg, Adam v. Trott zu Solz, Ulrich v. Hassell – der Widerstand im Dritten Reich wurde am 20. Juli 1944 schlagartig offenbar. Die Menschen hinter diesem Widerstand kamen in ihrer Mehrzahl aus fest umrissenen sozialen Gruppen; die drei Genannten gehörten dazu. Im Gesamtnetzwerk des Widerstands geb es eine Vielzahl von gesellschaftlichen Mehrfachbindungen in mannigfaltige soziale Netzwerke: Die Akteure waren miteinander verwandt, kannten sich aus Internaten oder trafen sich später in kirchlichen Kreisen wieder – und diese Verknüpfungen waren zahlreicher als bisher bekannt. Durch viele direkte und indirekte Kontaktflächen nahmen hier die korporierten Studenten, insbesondere die über 40 Corpsstudenten, eine erkennbare Rolle ein.
Die Mehrzahl derer, die in dem Band „Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler“ mit einem Lebensbild gewürdigt werden, konnte über verschiedene Anknüpfungspunkte im Netzwerk des Widerstandes erreicht werden und selber agieren. Im Netzwerk des Widerstands waren sicher die gemeinsame Internatszeit oder die Mitgliedschaft im Johanniterorden sicher von großer Bedeutung. Doch auch die zu Studienzeiten erworbene lebensgeschichtliche Klammer durch die ihnen allen gemeinsame Mitgliedschaft in einem akademischen, einem „Kösener“ Corps konnte in individuellen Einzelfällen Wirksamkeit entfalten – gegen eine übergroße Mehrheit, auch unter den Corpsstudenten, die dem Nationalsozialismus nichts entgegensetzte oder ihn begrüßte. Und dementsprechend ist auch eine große Zahl von Tätern aus den Reihen der Korporierten – auch solche, die zu Studienzeiten einem Corps beigetreten waren – bekannt. Auf der anderen Seite aber ist es, und darum geht es hier, nunmehr eine gesicherte Tatsache, daß sich im näheren oder weiteren Umfeld Stauffenbergs und in weiteren Kreisen des Widerstands gegen Hitler einige Corpsstudenten und Angehörige anderer Dachverbände befanden; ihnen ist „Corpsstudenten im Widerstand gegen Hitler“ gewidmet.
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